Pflanze des Monats 2025
April: Krainer Tollkraut (Scopolia carniolica JACQ.)

Während das Alpinum schon in allen Farben blüht, lässt sich der Heilpflanzengarten beim Frühlingserwachen etwas mehr Zeit. Keinen Grund, ihn bei einem Besuch auszulassen - denn gerade jetzt blüht da ein tolles Kraut!
Ein tolles Kraut!
Von weitem könnte man das Krainer Tollkraut leicht übersehen – mit seinen aussen rot oder violett überlaufenen Blüten und den ganzrandigen, lanzettlichen Blättern sticht es nicht gerade ins Auge. Doch wer die Blüten genauer betrachtet, entdeckt rasch ihr freudig sonnengelb leuchtendes Innere. Ungewöhnlich sind diese kleinen, fast an Engelstrompeten im Kleinformat erinnernden Glöckchen. Tatsächlich gehören die Tollkräuter (Gattung Scopolia) zur gleichen Familie, den Nachtschattengewächsen (Solanaceen). Das Krainer Tollkraut wächst in Südosteuropas Laubwäldern, Gebüschen und Staudenfluren bis in eine Höhe von 1000 Meter.
Giftiger Frühling
Das Tollkraut trägt seinen Namen nicht ohne Grund: Wird es eingenommen, kann es „toll“ machen – also rasend oder verrückt –, ähnlich den Symptomen einer Tollwuterkrankung. Verantwortlich dafür ist das Alkaloidgemisch in der Pflanze, das ihr als natürlicher Schutz vor Fressfeinden dient. Auch für den Menschen ist sie bereits in kleinen Mengen hochgiftig. Trotzdem wurde die Pflanze früher als Genussmittel geraucht und in manchen Fällen sogar eingenommen — sei es aus Neugier, zur Entspannung oder in der Hoffnung auf eine heilende Wirkung. Volksmedizinisch galt das Tollkraut als zuverlässiges Mittel gegen Rheuma, Zahnschmerzen, Koliken, Schlafstörungen und wurde auch als Aphrodisiakum genutzt – nicht selten allerdings mit tödlichem Ausgang. Viel sicherer ist es, die prachtvoll blühende Pflanze im Botanischen Garten zu bewundern und den Hummeln beim Bestäuben zuzusehen – für sie ist das Tollkraut völlig ungefährlich.
März: Primula palinuri (Primula palinuri PETAGNA)

Ein würziger Duft erfüllt die Luft, während eine frische, salzige Brise über das tiefblaue Tyrrhenische Meer weht. Auf den weissen Küstenfelsen blühen eidottergelbe „Schlüsselblümchen“ mit mehlig bepuderten Kelchen. Der Küstenabschnitt beim Capo Palinuro gehört im März zum Schönsten, was Italien in Sachen Botanik zu bieten hat.
Seltene Schönheit auf weissem Fels
Die Palinuri Primel ist eine Rarität, die ihresgleichen sucht. Oberflächlich erinnert sie an ein Flühblümchen (Primula auricula), ist jedoch mit der Alpenbewohnerin nicht näher verwandt. Tatsächlich handelt es sich um einen sogenannten Endemiten. Die Palinuro-Primel kommt nämlich nur auf einem kleinen Küstenstreifen im Cilento vor. Warum sie ausgerechnet dort und nur an wenigen Stellen vorkommt, bleibt ihr gut gehütetes Geheimnis. Weil sie so selten und dadurch gefährdet ist, geniesst sie einen umfassenden Schutz. Mit ihren auffälligen Blüten und Blättern hat sie es sogar zur Wappenblume des Nationalparks Cilento gebracht und ist in Kampanien vielen Menschen bekannt – auch jenen, die sich sonst kaum mit der Flora der Küstenfelsen beschäftigen.
Unkomplizierter Gast
Entgegen der Erwartung ist die Pflege der Palinuro-Primel überraschend einfach und sie lässt sich gut vermehren. Als Bewohnerin warmer Küstenfelsen ist sie für das Freiland in der Schweiz zwar kaum geeignet, im Wintergarten jedoch eine dankbare Pflanze: Sie blüht zuverlässig und sorgt bereits ab Anfang März für einen frühen Blütenzauber. Einzig auf einen gut durchlässigen Boden sollte man achten. Samen dieser in der Natur so seltenen Art sind in verschiedenen Spezialgärtnereien erhältlich und manchmal werden auch ganze Pflanzen angeboten. Noch einfacher ist es allerdings, sie im Mittelmeerhaus des Botanischen Gartens zu bestaunen - dort zählt sie im März zu den vielen Juwelen, die gerade aus dem Winterschlaf erwachen.
Februar: Meerfenchelblättrige Grevillea (Grevillea crithmifolia. R.BR.)

Februar ist genau der richtige Monat für einen ausgedehnten Erkundungsgang im Gondwanahaus. Zum Winterende sehnen sich viele nach milderen Temperaturen und können die ersten Frühblüher kaum erwarten. Da tut ein Rundgang im Südsommer gut.
Schneeballschlacht im Gondwanahaus
Auf der Südhalbkugel sind die Jahreszeiten um sechs Monate verschoben: Wenn es hier Sommer ist, ist dort Winter – und umgekehrt. – im Februar herrscht in Australien, Chile oder Südafrika folglich Hochsommer. Viele Pflanzen im Gondwanahaus haben ihren Rhythmus beibehalten und blühen zwischen Oktober und März, der Zeit des Südsommers. Während draussen grimmige Temperaturen herrschen, entfaltet sich in der Australien-Ecke eine üppige Blütenpracht. Besonders auffällig ist die Meerfenchelblättrige Grevillea, die im Februar an eine Indoor-Schneeballschlacht erinnert: Der gesamte Strauch ist mit weissen, pomponförmigen Blütenständen bedeckt, die einen reizvollen Kontrast zu den fein geteilten Blättern bilden. Mit der Zeit nehmen die Blüten oft einen zarten Rosaton an – was ihrer Schönheit jedoch keine Einbusse tut. Die Pflanze wurde zu Ehren von Charles Francis Greville (1749–1809) benannt, einem bedeutenden Förderer der Botanik im 18. Jahrhundert und Mitbegründer der Royal Horticultural Society.
Zuckerbusch mit markantem Eigenduft
Die westaustralische Pflanze gehört zur in der Südhemisphäre weit verbreiteten Familie der Zuckerbüsche (Proteaceen) und ist mit der ebenfalls aus Australien stammenden Macadamia-Nuss verwandt. Wegen ihres kriechenden Wuchses und der hübschen Blütenstände wird sie in ihrer Heimat gerne als Bodendecker in Vorgärten verwendet. Allerdings sollte man nicht zu geruchsempfindlich sein, denn zur Blütezeit verströmt sie ein Parfüm, das eigenwillig und mitunter gewöhnungsbedürftig ist. Ein Rundgang durch das Gondwanahaus wird damit zu einem Erlebnis für alle Sinne – inklusive einer Abenteuerreise für die Nase.
Januar: Stevia Süsskraut (Stevia rebaudiana BERTONI)

Spannt da vielleicht nach den vergangenen Festtagen der Hosenbund etwas? Der Vorsatz, 2025 weniger Zucker zu essen, ist zwar rühmlich, aber in der Praxis doch nicht ganz so einfach umzusetzen. Da kommt die Pflanze des Monats mit den äusserst süssen Blättern gerade richtig. Weil sie mitten im Winter wunderbar blüht, versüsst sie nicht nur den Alltag, sondern auch einen Rundgang im Botanischen Garten.
Korbblütler mit Vorliebe für kurze Tage
Die kaum meterhohe Kübelpflanze im Sukkulentenhaus kann als eher unscheinbar beurteilt werden, auch wenn sich die weissen Blütenstände des Stevia Süsskrauts (Stevia rebaudiana) bei genauerer Betrachtung als kleine, weisse Feuerwerke entpuppen. Gewieften Pflanzenkenner:innen wird die Ähnlichkeit mit dem in der Schweiz heimischen Wasserdost (Eupatorium cannabinum) nicht entgehen, und tatsächlich sind beide Arten als Teil der riesigen Familie der Korbblütler relativ nahe verwandt. Mit über 24'000 Arten ist dies vielleicht die grösste Pflanzenfamilie – allein die Orchideen können bei der Artenzahl mithalten. Die Stevie ist eine Kurztagspflanze: Wenn die Tage kürzer werden, veranlasst sie dies zur Blütenbildung. Deshalb blüht sie in der Schweiz mitten im Winter.
30- bis 300-mal süsser als Zucker
Der Schweizer Botaniker Moisés Giacomo Bertoni beschrieb 1887 eine Pflanze in der Amambai-Bergkette im Grenzgebiet von Paraguay und Brasilien, welche ihm wegen ihren stark süss schmeckenden Blättern auffiel. Die aussergewöhnlich süssende Wirkung war bereits den indigenen Völkern bekannt. Stevia-Blätter sind etwa 30-mal süsser als Rübenzucker, während der reine Wirkstoff Steviosid sogar 150- bis 300-mal süsser ist. Dazu kommt, dass sowohl die süssen Blätter als auch die daraus gewonnen Süssstoffe kaum Kalorien haben und sogar als gesund gelten. Besonders in Japan hat sich das Süsskraut deshalb durchgesetzt. Die Stevia erfüllt also alle Ansprüche für einen gesunden und süssen Start ins 2025.